Die Geschichte des Hauses Niemeyer

Die Geschichte des Hauses der Familie Niemeyer ist eng mit der Geschichte des Dorfes Hönebach verbunden. Darauf, dass es eine besondere Rolle im Leben der Dorfbewohner gespielt haben muss, weist schon die zentrale Lage im Ort hin. Ältere Dorfbewohner berichteten, dass das Haus früher im Nachbarort Ronshausen gestanden habe und später nach Hönebach gebracht und hier wieder aufgebaut worden sei. Und tatsächlich ergaben sich aus alten Ronshäuser Karten Hinweise darauf, dass unser Haus etwa um 1850 von Ronshausen nach Hönebach versetzt wurde.

Die ungewöhnliche Größe spricht dafür, dass es einmal zu einem landgräflichen Hofgut gehörte – vermutlich zum Corneliusschen Hof in Ronshausen.

In der Hönebacher Urkarte von 1873 (Blatt 3) taucht unser Haus erstmals auf: damals mit Scheunengebäude und einer Asphaltkegelbahn, welche in der damaligen Zeit sicherlich eine Attraktion war. Eigentümer war Johannes Schön. Auf einem jüngeren Katasterblatt sind bauliche Erweiterungen eingezeichnet. Die Scheune südlich wurde erweitert, das kleine Nebengebäude auf der Nordseite wurde vergrößert.

Wie man auf dem nebenstehenden Bild erkennen kann, wurde das Gebäude nördlich des Hauses als Scheune benutzt, leider steht diese heute nicht mehr.

Das Haus mit Ländereien wurde am 31.01.1881 zwangsversteigert. Die damaligen Besitzer, der Gastwirt Konrad Heinrich Fischer und dessen Ehefrau Anna Barbara, geborene Schön, hatten „Konkurs“ anmelden müssen.

Konrad Justi aus Lützelwig bei Homberg/Efze erwarb gemeinsam mit seiner Ehefrau Elisabeth das Haus,. Deren einzige Tochter, Marie Martha Auguste Justi, wurde 1887 in Hönebach geboren.

Die Familie Just nahm etliche Umbauten vor: nördlich des Haupthauses entstand ein Ladenanbau, hinter dem Haus ein großer Saal mit Bühne und eine Scheune (die später wieder abgerissen wurde). Die vorhandenen Nebengebäude wurden nochmals erweitert. Um 1900 war ein beliebtes Gasthaus mit Gastwirtschaft und Tanzsaal, einem Kolonial- und Eisenwarenladen sowie drei Gästezimmern entstanden.

Marie Martha Auguste Justi heiratete in 1910 den Pfarrerssohn Otto Berthold Adolf Niemeyer aus Ronshausen. Etwa um 1915 übernahm Otto Berthold Niemeyer die Gastwirtschaft und so wurde aus dem „Gasthaus Justi“ der Betrieb „Gaststätte und Gemischtwaren Niemeyer“. Otto Niemeyer erweiterte 1926 den Saal durch Anbau einer Bühne.

Marie und Otto B. Niemeyer bekamen vier Söhne. Der erstgeborene Sohn verstarb nur fünf Tage nach seiner Geburt. Der Zweitgeborene, Otto Wilhelm Werner Niemeyer wurde 1912 in Hönebach geboren. Als dritter Sohn erblickte Wilhelm Werner Niemeyer 1914 in Hönebach das Licht der Welt. Er fiel im Krieg in Russland. Als vierter Sohn wurde Herbert Niemeyer 1915 in Hönebach geboren. Otto Wilhelm Werner Niemeyer heiratete Febronia Mauthe, genannt Ronny. Gemeinsam übernahmen sie 1955 das Haus und den kaufmännischen Betrieb. Karl Otto Niemeyer ist ihr einziges Kind.

Ottos Schwägerin Elisabeth Niemeyer lebte mit ihrem Sohn Werner im Haus, nachdem ihr Mann Wilhelm in Russland gefallen war. Sie versorgte Haus und Garten.

Stets war das Haus mit Leben gefüllt. Es wurden Hühner und Schweine gehalten. Der große Garten wurde, wie damals üblich, bewirtschaftet und brachte den menschlichen und tierischen Bewohnern Obst, Gemüse, Kartoffeln und Futter. Im Nebengebäude befanden sich ein Holzbackofen sowie Lagerräume für Kohlen. Natürlich wurde auch geschlachtet. Auf dem Dachboden gab es eine Räucherkammer.

Als junge Frau „in Stellung“ übernahm Margret Vogel (später Reiprich) die Haushaltsführung. Sie war für das Anfachen der Öfen im Haus und in der Küche am Morgen zuständig. Ihr Zimmer befand sich gegenüber der Küche, hinter dem sogenannten „Mehlstitz“, einer kleinen Vorratskammer. Sie kümmerte sich um Haus und Wäsche und versorgte morgens die Kinder.

Der Garten wurde von Elisabeth Niemeyer bewirtschaftet und gepflegt.
Obst, Gemüse, hausgemachte Wurst und alle Grundnahrungsmittel wurden im Dorfladen verkauft.

Auch das kulturelle Leben des Dorfes spielte sich stets hier ab. Es gab einen Versammlungsraum rechts neben dem Eingang. In der Gastwirtschaft (links neben dem Eingang) trafen sich die Hönebacher in geselliger Runde. Die Dorfjugend studierte Theaterstücke ein und präsentierte diese anschließend im Saal. Teile der Bühnenkulissen, ein altes Klavier und die Bestuhlung sind auch heute noch vorhanden.

Filmvorführungen, die jährliche Kirmes, Fasching oder Dorffeste mit Tanz und Modenschauen sorgten für Abwechslung. Sogar über einen Auftritt von „Johnny Dong, dem stärksten Mann der Welt*, wurde berichtet. Auf einem Seil zwischen Niemeyers und Grieneisens Haus präsentierte er in luftiger Höhe seine artistischen Künste. Die Kinder beeindruckte er, indem er Pfennige zerbiss.

Die Vereinsgründung des ESV Hönebach 1912 wurde in Niemeyers Gastwirtschaft gebührend gefeiert. Die Übungsstunden der Turner fanden im Saal statt.

Ende der 6oer Jahre wurde der Betrieb im Saal und in der Gastwirtschaft eingestellt. Febronia und Otto Niemeyer führten lediglich den Dorfladen weiter. 1973 verstarb Elisabeth Niemeyer. Ihr Sohn Werner zog nach Fürstenfeldbruck.

1981 starb Otto Niemeyer. Seine Ehefrau Febronia verkleinerte das Warenangebot, bis sie den Dorfladen schließlich Anfang der 90er Jahre schloss. Im Sommer 2005 verstarb auch Febronia als letzte Bewohnerin in ihrem Haus.

Vom einstigen Glanz des Niemeyer-Hauses war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel übrig geblieben: Fachwerk und Haustechnik waren marode, die Einrichtung in die Jahre gekommen. Febronias Sohn Karl Otto verzichtete auf das Erbe, und so fiel das Haus mit allen Ländereien dem Land Hessen zu.

Seit 2007 ist das Haus im Besitz des Fördervereins „Fachwerk-Freunde-Hönebach e.V.“. Ziel des Vereins war es zunächst, dieses besondere, ortsbildprägende Haus zu bewahren und zu sanieren. Inzwischen ist es den Vereinsmitgliedern aber mindestens ebenso wichtig, dass in das denkmalgeschützte Gebäude wieder Leben zurückgekehrt ist und es den Dorfbewohnern sowie Besuchern von Nah und Fern wieder als Treffpunkt zur Verfügung steht.

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